Briefe an Dawkins
Die Atheisten-Bewegung ist im Vormarsch. Bestseller wie "Der Gotteswahn" des Atheisten Richard Dawkins werden heiss diskutiert. Doch viele seiner Thesen sind fragwürdig. Pfarrer David Robertson, früher selbst Atheist, gibt hier Antworten auf offene Fragen und tritt damit mutig der atheistischen Herausforderung entgegen.
Robertson, David. Briefe an Dawkins – Ein Pfarrer und Kolumnist antwortet auf die atheistische Grossoffensive und Dawkins’ Bestseller "Der Gotteswahn". ISBN: 3765540226. Giessen: Brunnen 2008. 148 Seiten.
Eine Buchzusammenfassung von Felix Ruther
Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von offenen Briefen. Der Autor ist Pfarrer in Schottland.
1. Brief: Der Mythos vom höheren Bewusstsein
Sie argumentieren, diejenigen, die Ihrer Ansicht sind, seien zu einer höheren Bewusstseinsebene aufgestiegen. Ich finde, Ihr Gedanke, Atheisten seien diejenigen, deren Bewusstsein aufgestiegen sei, und sie seien de facto intelligenter, vernünftiger und ehrlicher als andere Menschen, ist ein Mythos.
Ihr Buch ist gut geschrieben, aber auf intellektueller und logischer Ebene verfehlt Ihr Buch sein Ziel. Die meisten seiner Argumente bewegen sich auf Abiturienten-Niveau.
Wie in der Weimarer Republik, wo die Juden für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht wurden, so sind es in Ihrem Buch die religiösen Menschen, die für die Mehrzahl der Übel in der heutigen Welt verantwortlich sind.
Es stimmt, in Europa zumindest, nicht, dass man als Atheist in irgendeinem Beruf Nachteile in Kauf nehmen müsste. Eher gilt das Umgekehrte.
Sie scheinen zu denken, dass jeder, der religiös ist, auf einer tieferen Bewusstseinsstufe steht und befreit werden muss, indem er Atheist wird. Empirische Belege dafür weisen Sie natürlich nicht vor. So wie vieles andere in Ihrem Buch ist das nur ein Vorurteil.
Was würden Sie tun, wenn Ihre Tochter Christin würde?
Schmunzeln musste ich, als ich Ihre Klage las, Atheisten würden verfolgt und missverstanden. Sie vergleichen die Situation mit den Homosexuellen. Sie selber hatten die völlige Kontrolle über Ihre eigene Fernsehserie (The Root of all Evil). Wann erhielt schon ein Evangelikaler die Möglichkeit, einen Film über die negativen Folgen des Atheismus zu drehen? Sie machen Filme, in denen schwulenhassende Evangelikale auftreten. Das ist simple Propaganda und nicht fair.
Niall Ferguson (Oxforder Kollege) „Krieg der Welt: Was ging schief im 20. Jahrhundert?“ teilt die säkulare Weltanschauung, aber seine Darstellung des 20. Jahrh. ist eine niederschmetternde Bestandesaufnahme vom Scheitern des Säkularismus und der „Wissenschaft.“
Ihr Buch wirkt wie der verzweifelte Versuch, die einbrechenden Verteidigungslinien des Atheismus neu abzustützen.
2. Brief: Der Mythos von der Schönheit ohne Gott
Der erste Brief wurde auf Dawkins Web-Page veröffentlicht. Es gab darauf Reaktionen, deren Heftigkeit zeigte, dass der Brief gegen ihr heiliges Buch verstossen hat. Es wäre aber nicht fair, eine Bewegung nach ihren extremsten Anhängern zu beurteilen – bitte beachten sie das auch, wenn sie über das Christentum sprechen. Sie dämonisieren alle, die nicht Ihre Meinung teilen.
Zu Ihrem ersten Kapitel: Vieles Prämissen bejahe ich. Die Schlüsse, die sie ziehen aber nicht.
Das Staunen über die Welt ist ein Schlüsselbegriff, den sie auf brillante Weise behandeln. Sie meinen aber, wer glaubt, Gott habe all die Pracht erschaffen und sei für sie verantwortlich, der würdige die Schönheit herab und verdränge durch diese Erklärung das Staunen.
Aber woher kommt die Schönheit? Ich habe mich bemüht, Atheist zu sein, aber ich habe es einfach nicht hinbekommen. Ich kam zum Schluss, dass Gott existiert. Nichts anderes ergab einen Sinn. Weder die Schönheit noch das Böse, weder die Schöpfung noch die Menschheit, weder Zeit noch Raum lassen sich ohne Gott erklären. Das heisst, man kann sie vielleicht erklären, aber meiner Meinung nach ist die materialistische Erklärung emotional, spirituell und vor allem intellektuell unzulänglich. Ja, es erfordert eine Menge Glauben, Atheist zu sein.
Als ich Christ wurde, dachte ich, mir wäre alles klar. Ich hatte Gott in meiner Schublade. Ich hatte Jesus. Aber als ich wuchs und reifte, begriff ich, dass ich keineswegs den Paddelteich für mich erobert hatte, sondern allenfalls meinen grossen Zeh in den Ozean der Erkenntnis, der Liebe und des Wesens Gottes gesteckt hatte. Der kleine Gott in der Schublade führt in der Tat zu einer feindseligen Haltung gegenüber allem (einschliesslich der Wissenschaft), was nicht in diese Schublade passt. Doch der uneingesperrte Gott, der Gott der Bibel, erlaubt es uns – nein, er fordert uns auf -, seine Schöpfung zu erforschen.
Manche Ihrer Anhänger haben versucht, mit einer ziemlich dummen Herausforderung Wissenschaft und Christentum gegeneinander auszuspielen: „Die Wissenschaft hat uns Autos / Toaster / Raumschiffe usw. verschafft. Was hat uns die Religion je gegeben?“ Dumm ist das deswegen, weil es eine falsche Zweiteilung zwischen Wissenschaft und Christentum kreiert, so als wäre die Wissenschaft ein Glaubenssystem und das Christentum ein anderes. Nein. Der Unterschied liegt nicht in der Wissenschaft, sondern in der Philosophie, im Glauben. Die Gefahr des Standpunktes, den Sie befürworten, liegt darin, dass Sie einen Keil zwischen Wissenschaft und Religion treiben wollen, der Ihrer eigenen Philosophie entspricht (was natürlich manche religiösen Fundamentalisten auch nicht anders machen). Aber Ihr Standpunkt ist philosophisch, nicht wissenschaftlich.
Um es noch deutlicher zu sagen. Sie sind nicht deshalb Atheist, weil die wissenschaftlichen Fakten Sie dazu treiben, sondern weil das nun einmal Ihre Philosophie ist. Sie benutzen die Wissenschaft, um sie zu untermauern, aber schliesslich benutzen auch viele religiöse Menschen die Wissenschaft, um ihren Standpunkt zu untermauern. Es geht nicht um die Wissenschaft, sondern um die Denkvoraussetzungen, die wir an die Wissenschaft herantragen.
Ich akzeptiere vollkommen, dass allzu viele Christen sich des selektiven Zitierens und der Verbreitung moderner Legenden schuldig gemacht haben, um zu beweisen, dass diese oder jene berühmte Persönlichkeit entweder Christ gewesen sei oder sich auf dem Sterbebett noch bekehrt habe.
Sie sagen, Naturalisten glauben, alles sei physisch. Ich denke an einen hochintelligenten Chemiker, der darauf angesprochen, zugab, Liebe, Hass, Schönheit, Spiritualität und dergleichen seien letzten Endes „nur“ chemische Reaktionen. Das scheint mir eine zutiefst deprimierende minimalistische Sicht des Universums und des menschlichen Lebens zu sein. Freilich, wenn Sie das beweisen und belegen könnten, dass es keinen persönlichen Gott gibt, dann müssten wir wohl damit leben. Aber das können Sie nicht. Ihre Ansicht, das Universum sei ausschliesslich physisch, ist eine Hypothese, und zwar eine, die weitgehend auf Wunschdenken beruht. Im Grunde ist Ihr Standpunkt eine Art „Wissenschaft der Lücken“: Es gibt gewisse Dinge, die Sie beobachten; Sie können sie wissenschaftlich nicht recht erklären; und auf eine spirituelle Erklärung möchten Sie nicht zurückgreifen (weil Ihre grundlegende philosophische Denkvoraussetzung besagt, dass ausser Materie nichts existiert). Statt also Lücken offen zu lassen (durch die, wie Sie befürchten, ein kleiner Gott hindurchschlüpfen könnte), dehnen Sie sozusagen Ihre wissenschaftliche Erkenntnis aus, so dass sie zu einer Theorie aller Dinge wird - und schliessen praktischerweise alles aus, was nicht in diese Schublade passt. Wie die Ironie es will, sind Sie in Gefahr, genau das mit der Wissenschaft zu machen, was Ihrem Vorwurf zufolge die Christen mit Gott machen, nämlich ihn in eine Schublade zu sperren, indem Sie ein menschliches Konstrukt auf der Basis Ihrer antireligiösen Denkvoraussetzungen schaffen, das eigentlich Gott aussperren soll, am Ende dann aber tatsächlich die Wissenschaft einsperrt.
Sie sagen: „Die Vorstellung, Religion sei ein richtiges Fachgebiet, auf dem man Fachkenntnisse besitzen könne, sollte nicht unhinterfragt stehen bleiben.“ Hier sind Sie mit Ihrem Hass gegen die Religion etwas übers Ziel hinausgeschossen. Angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Welt über den überwiegenden Teil ihrer Geschichte hinweg religiös war und bis heute ist, sollte man doch annehmen, dass dies durchaus ein vernünftiges Forschungsgebiet ist und dass es Leute gibt, die gewisse Fachkenntnisse darüber für sich in Anspruch nehmen können. Im Grunde ist dieses Abtun all derer, die das tun, ein netter kleiner Trick, der es Ihnen ermöglicht, Religionen und religiöse Bücher zu kritisieren, ohne dabei auf akademische Forschung zurückzugreifen, weil die Religion ja schliesslich kein richtiges Fachgebiet sei. Dadurch können Sie sich dann solche Plattitüden erlauben wie „Pantheismus ist aufgepeppter Atheismus“.
3. Brief: Der Mythos von der atheistischen Rationalität und Toleranz
Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass ihr Standpunkt ein philosophischer ist und keiner, zu dem sie durch die Wissenschaft getrieben wurden.
Sie umfüttern ihre Hauptthese, dass es keinen Gott gibt, mit einer grossen Anzahl von Nebenargumenten (Wesen der Religion, Irrtümer in der Bibel, Heuchelei der Kirche). Ohne diese Nebenargumente ist ihre These aber nackt.
Es wird behauptet, es gebe nur die Materie, und den einzigen Beweis den sie zulassen, sei ein materieller Beweis. Das ist ein Zirkelschluss in Reinkultur. Erstens ist die Behauptung, alles sei Materie eine unbeweisbare Behauptung. Zweitens passt diese Behauptung nicht zu den beobachtbaren Fakten (Schönheit, Böses etc.).
Sie verunglimpfen jene, die nicht ihrer Meinung sind und machen sie lächerlich. Ihre Verteidigung der Redefreiheit bringt auch eine Verantwortung mit sich. Das Problem ist, dass ihr Spott, verbunden mit einem atheistischen Fundamentalismus, Intoleranz fördert. Die einzige atheistischen Staaten der Geschichte (Stalins Russland, Maos China, Pol Pots Kambodscha, Hitlers Deutschland) waren die bösartigsten und grausamsten, die die Welt je gesehen hat.
4. Brief: Der Mythos vom grausamen Gott des ATs
Nach ihrer Definition lautet die Gotteshypothese so: „Es gibt eine übermenschliche Intelligenz, die das Universum absichtlich gestaltet und erschaffen hat.“ Ihr Beweis, dass dem nicht so sei, lautet: „Jede kreative Intelligenz, die ausreichend komplex ist, um irgendetwas zu gestalten, entsteht ausschliesslich als Endprodukt eines langen Prozesses der Evolution.“ Und das ist im Grunde schon alles, was sie in diesem Kapitel dazu zu sagen haben.
Die Zeitschrift Prospect schreibt: „Es war seit Jahren offensichtlich, dass in R. Dawkins ein dickes Buch über Religion steckte, aber wer hätte ihm zugetraut, ein so schlechtes zu schreiben? Ohne jede Wissbegier, dogmatisch, weitschweifig und voller Widersprüche, fehlt ihm all der Stil oder der Schwung seiner früheren Werke.“
Sie beginnen das Kapitel mit einer Hasstirade auf den Gott des ATs. Das ist auch für Christen beleidigend, denn sie unterstellen ihnen, dass sie an einen solchen Gott glauben. Ihr Text ist eine Karikatur – mit einem Körnchen Wahrheit, aber eine Karikatur. Nur durch äusserst selektives, aus dem Kontext gerissenes Zitieren und Ignorieren aller Abschnitte und Lehrtexte über Gott könnte man auch nur annähernd zu so einer Karikatur kommen. Sie zielen nur auf eine polemische und emotionale und nicht auf eine rationale Reaktion ab. Würden sie sich auf die philosophische Erörterung der Frage beschränken, ob es einen Gott gibt, so wäre ihr Buch erheblich dünner. Mit ihrem Angriff auf eine verdrehte Version des biblischen Gottes, übertünchen sie, wie dünn ihre Argumente gegen die Existenz Gottes sind.
Sie sichern sich die Lacher des Publikums, wenn sie sagen Christen seien auch Atheisten, sie glaubten ja auch nicht an Zeus etc. Sie würden dem nur noch einen weiteren Gott hinzufügen. Das ist lediglich ein rhetorischer Trick, der nichts zur entscheidenden Frage beiträgt. Ihr Argument hat nicht mehr Überzeugungskraft als das eines Menschen, der behauptet, eine Rolex könne nicht echt sein, weil er schon einmal eine gefälschte Uhr gekauft habe.
Damit sind wir bei NOMA (nicht überlappende Wissensbereiche). Stephen J. Gould ist ein atheistischer Vertreter dieser Ansicht, dass Religion und Wissenschaft zwei autonome, aber ganz getrennte Bereiche darstellen. Das mögen sie gar nicht und schreiben: „Ich kann einfach nicht glauben, dass Gould, was er in Rocks of Ages geschrieben hat, wirklich so meinte.“ Vielleicht mögen sie Goulds Buch deshalb nicht, weil er schrieb: „Aber unter meinen eigenen Kollegen in der Wissenschaft gibt es auch manche militante Atheisten, deren Scheuklappendenken über Religion nichts von den Feinheiten und der Vielfalt erfasst.“
Ich selber würde sagen, dass die Bereiche Religion und Wissenschaft zwar verschieden sind, sich aber stellenweise überlappen.
Teekannen-Argument: Wenn heute gesagt wird, dass ein Atheist Gott nicht widerlegen könne, antwortet man: „Ja, genau wie die Zahnfee oder die himmlische Teekanne.“ Die Beweislage für Gott bewegt sich aber auf einer ganz anderen Ebene. Ich vermute, sie wissen das auch, überspielen das aber mit ihrer Rhetorik. Wie wäre es, wenn sie sich mit den Argumenten auseinandersetzen würden, die wir vortragen und einmal das beiseite lassen, was nur wieder ihre eigene Weltanschauung widerspiegelt.
5. Brief: Der Mythos vom Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion
Ihr Verständnis der christlichen Theologie ist erschreckend armselig und unausgereift. Wenn wir sagen Gott ist allmächtig, heisst das nicht, dass er Dinge tun kann, die unmoralisch sind oder im Widerspruch zu seinem eigenen Wesen stehen.
Heftig greifen sie den abtrünnigen Atheisten Anthony Flew an.
Schönheit: Beim Argument der Schönheit geht es nicht so sehr um die Tatsache, dass es Schönheit gibt – sondern darum, warum wir als Menschen einen Sinn für Schönheit haben.
Persönliches Erlebnis: Sie reduzieren es auf Leute die Stimmen gehört haben. C.S. Lewis schrieb: „Dorthin, wo ich jetzt bin, bin ich nicht allein durch Nachdenken gekommen, sondern durch Nachdenken über ein bestimmtes wiederkehrendes Ereignis. Ich bin ein empirischer Theist. Ich bin durch Induktion zu Gott gekommen.“
Ich glaube auch nicht wegen irgend eines dieser Erlebnisse an Jesus. Doch die Häufung dieser Erfahrungen summiert sich mit der Wahrheit der Bibel und der Beobachtung der Geschichte, der Schöpfung und der Gesellschaft zu einer sehr überzeugenden persönlichen Apologetik.
Bibel: Sie behaupten, dass z.B. Lukas nicht historisch sei. Das ist nicht die gängige Meinung der Historiker und Theologen. Zumindest ist jede Behauptung, die heutige Lehrmeinung sei, dass die historischen Belege für die Bibel nicht besser seien als die für Das Sakrileg, im besten Fall ignorant, im schlimmsten geradezu betrügerisch.
Religiöse Wissenschaftler: Ich habe noch nie jemanden sagen hören, er glaube an Gott, weil ein gewisser Wissenschaftler gläubig sei. Was wir allerdings sagen, ist, dass dem atheistischen Versuch, die Wissenschaft gegen die Religion auszuspielen, durch die beträchtliche Zahl von Wissenschaftlern, die zugleich gläubig sind, jeglicher Boden entzogen wird.
Interessant ist, wie sie den gläubigen Francis Collins gegen Craig Venter („hochintelligent, nichtreligiös“) ausspielen. Bedenken sie, dass der Christ Collins das Human-Genom-Projekt für die Öffentlichkeit zugänglich halten wollte, wohingegen „Ihr“ Craig Venter den Plan verfolgte, daraus durch Patente Geld zu machen. Ich finde das treffend, die beiden Weltanschauungen zu verdeutlichen.
Tatsächlich ist dies einer der Gründe, warum ich an den Gott der Bibel glaube – weil ich ohne diese biblische Weltsicht weder eine echte Erklärung für das Böse habe, zu dem Menschen imstande sind, noch eine Verteidigung dagegen.
6. Brief: Der Mythos vom erschaffenen Gott und vom unerschaffenen Universum
Ihr Totschlägerargument, das nicht einmal Nietzsche gefunden hatte, lautet: Die Evolution ist wahr. Evolution erklärt die Illusion einer bewussten Gestaltung. Das Argument der bewussten Gestaltung ist das Hauptargument für Gott. Ergo gibt es keinen Gott.
Und was ist der Kern ihres Argumentes: „Wer gestaltete den Gestalter?“
Als ich das las, war ich schockiert. Nicht über die Originalität, Durchschlagskraft oder überwältigende Logik dieses Arguments, sondern über seine Banalität.
Joe Fitzpatrick wendet ein: „Dawkins bringt die Methoden durcheinander, indem er ein Prinzip der biologischen Wissenschaft nimmt und zum universellen Prinzip erklärt.“
Wer so argumentiert, macht einen unvorstellbaren Glaubenssprung und vollzieht einen Zirkelschluss. Wer sagt denn, dass alles von irgendwo her kommen muss? Sie widerlegen gar nichts, wenn sie gegen die Existenz eines erschaffenen Gottes argumentieren.
Wenn die Evolutionstheorie wahr wäre, würde das Gott nicht widerlegen. Es würde ein Argument widerlegen, das viele Theisten gebrauchen. Das ist aber nicht das einzige Argument. Auch Alistair McGrath sagt: „Es besteht eine erhebliche logische Lücke zwischen dem Darwinismus und dem Atheismus, die Dawkins offenbar lieber durch Rhetorik als durch Belege zu überbrücken versucht.“
Was den Ursprung der Materie angeht, gibt es nur drei Alternativen:
- Etwas entstand aus Nichts. Das liegt aber jenseits der Vernunft und ist eine unsinnige Fantasie.
- Materie ist ewig.
- Materie wurde ex nihilo erschaffen.
Andere logische Alternativen kenne ich nicht. Sie sagen: Wir wüssten noch nicht woher die Materie komme, aber eines Tages werden wir es wissen.
Die Frage bleibt: Warum gibt es etwas und nicht nichts? Und weshalb ist dieses Etwas imstande uns hervorzubringen?
Zudem ist diese Materie so geordnet, dass Leben möglich wird.
Wenn sie glauben, die Materie sei ewig, dann stehen sie vor der gewaltigen Unwahrscheinlichkeit der Feinabstimmung des Universums. Eine Unwahrscheinlichkeit, die die Evolution nicht erklären kann, weil ja noch nichts da war, das evolvieren könnte. Wie haben wir die Bedingungen für die Evolution bekommen. Sie würden sagen: Wir hatten Glück. Das erfordert aber eine Menge an Glauben. Auch die Multiuniversen-Theorie hilft da nicht weiter. Denn sie sagen uns immer wieder, dass es in der Wissenschaft um Beobachtbares gehe. Multiuniversen sind aber pure Science-Fiction.
Sie sagen, die Wissenschaft sei der Grund, weshalb sie nicht an Gott glauben. Aber sie legen keine wissenschaftlichen Gründe vor. Ihre Argumente sind weitgehend nicht wissenschaftlicher Art. Wenn sie uns den Glauben an einen Gott der Lücke vorwerfen, dann erwidere ich, dass es gerade anders rum ist. Wir glauben an einen Gott wegen den Hinweisen, wegen der Wissenschaft, wegen der Dinge, die wir sehen. Wie Francis Collins erklärt: „Es gibt gute Gründe, an Gott zu glauben, etwa die Existenz mathematischer Prinzipien oder der Ordnung in der Schöpfung. Das sind positive Gründe, die auf Erkenntnissen beruhen, nicht auf stillschweigenden Annahmen aufgrund eines vorläufigen Mangels an Erkenntnis.“
Einige Zitate:
„Die besten Daten, die wir haben, sind genau das, was ich vorausgesagt hätte, wenn ich keinen anderen Anhaltspunkt hätte als die fünf Bücher Mose, die Psalmen, die Bibel insgesamt.“ (Arno Penzias, Nobelpreis; Entdecker der Hintergrundstrahlung , die den Urknall belegte.)
„Warum das Universum gerade auf diese Weise angefangen haben sollte, wäre sehr schwer zu erklären, ohne das Eingreifen eines Gottes anzunehmen, der beabsichtigt hätte, Wesen wie uns zu erschaffen.“ (Stephen Hawking; Eine kurze Geschichte der Zeit)
„Ich persönlich bin davon überzeugt, dass jenseits und innerhalb des Kosmos ein superintelligenter Schöpfer existiert und dass der reichhaltige Kontext der Geistesverwandtschaft, den unser Universum an den Tag legt, indem es die Existenz ichbewussten Lebens ermöglicht und fördert, Teil des Planes und der Absicht des Schöpfers ist.“ (Owen Gingerich, God's Universe)
„... die extreme Schwierigkeit, oder besser die Unmöglichkeit, sich dieses immense und wunderbare Universum einschliesslich des Menschen mit seiner Fähigkeit, zurück und weit voraus ins Zukünftige zu schauen, als Ergebnis blinden Zufalls oder zwangsläufiger Abläufe zu denken. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich nicht umhin, eine Erste Ursache anzunehmen, die einen intelligenten Geist besitzt, der bis zu einem gewissen Grad dem des Menschen analog ist.“ (Charles Darwin, zitiert in dem Buch, das Sie erwähnen - Kenneth Millers Finding Darwin’s God)
Indem Sie das Argument des Ursprungs der Materie und des Universums zur Sprache bringen, haben Sie im Grunde ein Eigentor geschossen. Statt zu beweisen, dass es mit ziemlicher Sicherheit keinen Gott gibt, haben Sie demonstriert, dass es ihn mit ziemlicher Sicherheit gibt. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn Sie herausfinden würden, wer er ist; wenn Sie aufhören würden, ihren Kopf in den Sand zu stecken und Ihre Faust gegen einen Gott zu schütteln, von dem Sie sagen, er könne nicht existieren, denn um zu existieren, müsse er komplexer sein als Sie.
Ihr Hinweis: „Vollständige Belege für jeden Schritt einer Entwicklung zu fordern ist in der Evolution wie in jeder anderen Wissenschaft vollkommen unlogisch.“ Ich bin ganz Ihrer Meinung. Darf ich Ihnen nahe legen, das auch auf die Theologie und die Bibel anzuwenden?
7. Brief: Der Mythos von der „von Natur aus bösen Religion“
Kap. 5 über die Wurzeln der Religion ist der Versuch, die Frage zu beantworten, warum die Religion in allen Gesellschaften der Welt so vorherrschend ist.
Es hat schon zahlreiche Versuche gegeben zu erklären, warum das so ist: Neurowissenschaftler – es gibt ein Gotteszentrum im Gehirn; Psychiater – Religion als Placebo, das den Menschen zu Trost und Stressreduktion verhilft; Marxisten – Religion ist Werkzeug der herrschenden Klasse zur Unterdrückung der Völker; Freudianer – Religion sei ein Teil desselben irrationalen Mechanismus, der auch dazu führt, dass wir uns verlieben. Sie selbst bevorzugen die Ansicht, Religion sei ein fehl gezündetes Nebenprodukt der Selektion (aus Gehorsam gegenüber den Eltern – Gehorsam Gott gegenüber. Religion sei letztlich ein geistiges Virus – ein Mem – wir seien einfach Infizierte.
Ihre Lieblingstheorie von der Meme lässt sich aber empirisch überhaupt nicht belegen (Wissenschaft der Lücke). Und wenn die Theorie stimmen würde, wären auch ihre Gedanken Meme. Simon Conway (Prof. Für Evolutions-Paläobiologie, Cambridge): „In jedem grösseren Kontext sind sie eine hoffnungslose, ja lächerliche Übervereinfachung.“
In Kap. 8. Sagen sie, dass Religion die Wurzel allen Übels sei. Sie sind besorgt über die Wirkung der Worte von religiösen Menschen. Sie sollten dieselben Kriterien auch auf sich anwenden. „Atheisten werfen keine Bomben.“ Bakunin und Lenin waren auch der Auffassung, dass Religion ein auszurottender Virus sei – beide befürworteten die Tötung von Glaubenden. Die Heftigkeit ihrer Sprache kann auch Konsequenzen haben – wie bei den religiösen Extremisten. Und ihre Webseite hat mehr fundamentalistische Atheisten als viele religiöse Seiten.
C.S. Lewis schrieb (und das gilt auch für Sie): „Sie konstruieren ein Bild des Christentums, das für einen Sechsjährigen angebracht wäre, und machen es dann zu Gegenstand ihrer Angriffe.“
Z.B. schwenken sie von den Taliban zu den amerikanischen „Taliban.“ Sie argumentieren, dass, weil ein religiöser Wirrkopf in den USA gefährlich ist, man die Religion abschaffen soll. Weil Dr. Mengele Wissenschaftler war sollte man auch nicht die Medizin abschaffen.
Sie wenden die Taktik eines Fundamentalisten an, der beweisen will, dass er allein die Wahrheit besitzt. Sie meinen, dass auch eine sanftere Religion zu einem Klima beitragen kann, in dem Extremismus entsteht. Auch eine sanftere Religionskritik kann das Klima von Hass fördern.
Sie definieren Glauben: Etwas ohne Belege für wahr halten. Aber das ist eine Definition in ihrem Kopf, die nichts mit dem Christentum zu tun hat. Mein Glaube basiert auf Belegen.
C.S. Lewis sah es so: „Kein Geschöpf wird mit Wünschen und Bedürfnissen geboren, für die es keine Befriedigung gibt. Ein Säugling hat Hunger, und er bekommt sein Fläschchen. Eine Ente will schwimmen, und es gibt Wasser. Die Menschen empfinden sexuelles Verlangen, und es gibt die geschlechtliche Vereinigung. Wenn wir nun in uns selbst ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann, dann können wir daraus doch schliessen, dass wir für eine andere Welt erschaffen wurden.“
8. Brief: Der Mythos von der Moral ohne Gott
Verwandtschaft und Altruismus sind die beiden Säulen, auf denen eine darwinistische Erklärung der Moral basiert.
All das hört sich nicht sehr nach Moral an, und es ist deterministisch. Für freien Willen oder Verantwortung bleibt kein Raum. Wir sind nur „gut“, weil wir eben so programmiert sind. Wenn ich andererseits frei und verantwortlich für mein Handeln bin, dann kann ich nicht programmiert sein.
Ich zweifle nicht an, dass in allen Aspekten des menschlichen Handelns genetische Faktoren mitwirken, aber ich kann nicht an ihren Determinismus glauben. Der Mensch hat immer auch eine Wahlmöglichkeit.
Sie erkennen: „Absolute Ethik nicht religiös zu begründen, ist schwierig.“ Weil es nichts Absolutes gibt, kann man auch nichts mit einem letztgültigen Massstab beurteilen. Gut und Böse gibt es letztlich gar nicht – wie sie selber in „The Blind Watchmaker“ darstellen: „In einem Universum der blinden physikalischen Kräfte werden sie keinen Sinn und keine Gerechtigkeit entdecken. Das Universum, das wir beobachten, hat genau die Eigenschaften, die zu erwarten sind, wenn es im Grunde keinen Plan, keine Absicht, kein Gut und Böse gibt, sondern nichts als blinde, erbarmungslose Gleichgültigkeit.“ Auf der atheistischen Suche nach ethischen Normen kommt nicht mehr als ein opportunistisches „grösstes Gut für die grösstmögliche Anzahl“ heraus, und das, ohne je zu definieren, was eigentlich „gut“ ist.
Ich glaube, sie erkennen, dass das die Achillesferse des Atheismus ist, und gehen daher zum Angriff über, indem sie sich über die christliche Moral lustig machen. Allerdings sollte sie sich hüten, das gesamte Christentum wegen des Verhaltens einiger Wirrköpfe zu denunzieren.
Ihr Hauptvorwurf richtet sich gegen die Bibel – dazu später.
Weshalb zitieren sie am Anfang ihres Kapitel aus Briefen grotesker Christen. Weil dies ihre Lieblingstaktik ist: Ad-Hominem-Argumente. Schaut her, wie dumm und unmoralisch diese Christen sind, also kann es mit der christlichen Moral nicht weit her sein. Aber wie fänden sie es, wenn ich die Atheisten ihrer Page zitieren würde. Da findet sich eine riesige Anzahl von atheistischen Fundamentalisten mit einer erstaunlichen Wortwahl.
Das zweite Argument von ihnen: Christen sind nur gut, weil sie Angst vor der Hölle haben. Ja, wir sind ein armseliger Haufen. Aber wäre es ihnen recht, wenn z.B. ein Student, der in der Prüfung betrügt nicht bestraft würde. Die Bibel sieht uns eben realistisch und weiss, dass es Kontrollmechanismen braucht. Aber der Knackpunkt ist, dass die Lehre der Bibel nicht in erster Linie moralisch ist. Wie sieht die christliche Argumentation für Moral aus?
- Es ist zu optimistisch, dass Menschen gut seien und immer besser werden. Wie konnte das Volk von Goethe und Beethoven einen Holocaust veranstalten?
- Moral erklärt das Universum. C.S. Lewis schrieb: „Erstens ist in allen Menschen, überall auf der Welt, die eigenartige Vorstellung lebendig, dass sie sich auf bestimmte Weise zu verhalten haben, und von dieser Vorstellung kommen sie nicht los. Zweitens aber richten die Menschen ihr Verhalten in Wirklichkeit nicht entsprechend ein. Diese beiden Tatsachen bilden die Grundlage für alles klare Denken über uns selbst und über die Welt, in der wir leben.“ Lewis weist darauf hin, dass es zwei klare Hinweise auf Gott gibt - und der erste ist das Universum, das er geschaffen hat. Der zweite ist das Moralgesetz, das nach seiner Argumentation noch aufschlussreicher ist. Einer der häufigsten Einwände, die viele gegen den Gedanken erheben, Gott habe das Universum erschaffen, ist, dass vieles darin so grausam und ungerecht erscheint. Aber, so fragt Lewis, woher nehmen wir überhaupt die Vorstellung davon, was grausam und ungerecht ist? Was gibt es da in uns, das uns Recht und Unrecht bewusst macht?
- Moral erklärt mich. Im Keim ist alles Böse auch in mir
9. Brief: Der Mythos von der unmoralischen Bibel
Ihr Verständnis der Bibel ist von extremer Verurteilung geprägt und scheint mehr von ihrem Atheismus geleitet zu sein, als von einer Kenntnis oder einem Verstehen des Textes. Schon am Anfang des Kapitels fällen Sie ein Urteil und unterstellen jedem, der nicht ihrer Meinung ist, er sei amoralisch nicht zivilisiert oder unintelligent. Sie implizieren, dass nur jene, die die Bibel als unmoralische betrachten, intelligent und moralisch seien.
Wer die Bibel im Zusammenhang liest, kann nicht ernst nehmen, was sie schreiben – schon gar nicht, Jesus sei nur für die Juden gekommen, und mit „Liebe deinen Nächsten“ seien nur die Juden gemeint (vgl. Samaritaner). Was sie schreiben sagt mehr über ihre Vorurteile aus, als über die Bibel. (Vieles stammt aus dem Aufsatz von John Hartung.)
Und wiederum zitieren sie die verdrehtesten Christen um gegen die Bibel zu wettern.
Sie sollten auch die Grundprinzipien des Bibellesens lernen: Kontext beachten (historischen, literarischen, theologischen und innerbiblischen) sonst liest man falsch. Zudem ist zu beachten, dass vieles in der Bibel beschreibenden und nicht vorschreibenden Charakter hat.
Sie bezeichnen jene, die die Bibel nicht wörtlich lesen als Feiglinge und sie fragen, nach welchen Kriterien man denn auslesen soll. Die Antwort ist: Gesunder Menschenverstand, Kontext, Gattung. Ein wichtiges Prinzip ist auch die fortschreitende Offenbarung. Daher werden manche Aspekte früherer Offenbarung von den späteren abgelöst.
Sie selber sagen, dass gute Historiker, die Aussagen früherer Zeiten nicht nach dem Massstab ihrer eigenen Zeit beurteilen sollen. Das ist eine Binsenwahrheit – wenden sie sie auch auf die Bibel an.
Sie nehmen auch an, dass alles immer besser werde. Bisher habe ich gedacht, dass derlei Utopien nach dem 2. Weltkrieg ausgestorben seien. Aber sie verkünden weiter, dass sich die Menschheit zur moralischen Vollkommenheit entwickeln würde, nur das Übel der Religion werde uns davon abhalten. Als Beispiel bringen sie das Frauenwahlrecht und die veränderte Einstellung in der Rassenfrage. Aber ehrlich: Es sei die Evolutionsforschung die von der falschen Rasseneinstellung weggeführt habe, ist doch eine faustdicke Lüge. Die Kirche lehrte schon lange, dass alle Menschen nach dem Bilde Gottes gestaltet seien.
Huxley argumentierte gegen den Zeitgeist, als er die „minderwertigen Rassen“ beseitigt haben wollte. Der Zeitgeist damals, war durch christliche Aktivisten und Denker „vergiftet“. Sie waren zum Schluss gekommen, dass Sklaverei ein Übel sei. Dagegen hat Huxley geschrieben. Schon 1789 kämpfte der Christ Wilberforce gegen die Sklaverei. 1807 wurde der Sklavenhandel verboten und 1833 wurde endlich auch die Sklaverei abgeschafft (nach 11 Motionen von Wilberforce).
Huxley argumentierte, dass diese biblische Haltung unwissenschaftlich sei. Was er glaubte, glaubte er nicht aufgrund des Zeitgeistes, sondern aufgrund seiner Wissenschaft, seinem Evolutionsverständnis.
Nun komme ich zu Stalin und Hitler. Das waren die Machthaber der bisher einzigen atheistischen Staaten. Das ist so unangenehm für sie, dass sie Stalin und Hitler flux den Atheismus absprechen – unvernünftige Menschen können doch keine Atheisten sein.
Hitler in seinen Tischgesprächen: „Der schlimmste Schlag, der die Menschheit jemals getroffen hat, war das Erscheinen des Christentums.“ Der Privatsekretär von Hitler meinte: „Die Naturgesetze, nicht das Christentum, waren sein Religion – und in der Natur hat immer der Kampf ums Überleben geherrscht. Das Schwache soll ausgelöscht werden.“ Nur die Kirche habe es sich zum Ziel gemacht, das Schwache zu schützen (vgl. Nietzsche).
Am Schluss fragen sie: „Weshalb sollte jemand im Namen eines nicht vorhandenen Gottes in den Krieg ziehen?“ Ich antworte: Vielleicht ist gerade das nicht Vorhandensein des Glaubens der Grund für den Krieg, denn so meint man doch, dass man sich niemandem gegenüber verantworten müsse. Man glaubt dann, dass wer die Macht habe, auch recht habe.
10. Brief. Der Mythos vom religiösen Kindsmissbrauch
Sie spielen die Bedeutung des sexuellen Missbrauchs herunter, um zu zeigen, wie grauenhaft der seelische Missbrauch ist, der an Kindern verübt wird, die religiös erzogen werden.
Sie schildern den Fall von Edgardo Mortara, der seinen Eltern weggenommen wurde um ihn vor der jüdischen Erziehung zu retten. Darüber sind Sie mit Recht entsetzt, und dennoch beziehen Sie jetzt eine fast gleich gelagerte Position bezüglich der religiösen Erziehung.
Weshalb greifen sie gerade eine Schule an, die schon dreimal die Bewertung „herausragend“ erhalten hatte. Nur, weil ihr Biolehrer einen Aufsatz über Kreationismus veröffentlicht hat? Von den neun naturwissenschaftlichen Lehrern nehmen drei eine kreationistische Position ein. Drei vertreten eine theistische Evolution und drei eine nichtchristliche. Hört sich das wie eine Schule an, die darauf aus ist, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren?
Aber weshalb starten Sie nicht eine Kampagne, um alle Schulen auf das Niveau des Emmanuel College anzuheben? Ganz einfach, weil es ihnen mehr um ihre Ideologie geht als um die Menschen.
In einem Bereich stimme ich ihnen voll zu. Sie beklagen die Unkenntnis der Bibel in unserer Gesellschaft. Wobei es gerade diese Unkenntnis ist, durch die Sie sich viele der Behauptungen über die Bibel erlauben können. Jeder, der die Bibel kennt, würde bald merken, dass Ihre Darstellung der Bibel verzerrt und aus dem Zusammenhang gerissen ist.
In Kap. 10 deuten Sie an, dass wir, wenn wir wirklich glaubten, was wir sagen, uns doch alle auf den Tod freuen müssten. Freilich, wenn wir das täten, würden sie das wiederum als religiöse Gehirnwäsche bezeichnen. Die atheistische Antwort auf den Tod findet man bei Camus’ L’Etranger. Sie ist hoffnungslos. Die christliche Antwort ist ganz anders.
Sie scheinen denken, dass die Glaubenden im Grunde Kinder sind, die noch nicht über das Bedürfnis eines imaginären Freundes hinausgewachsen sind. Aber wenn doch Gott so ein übler Geselle ist, wie soll denn der Glaube Trost vermitteln?
Bei der Besprechung Ihres Buches sind wir auf zwei widerstreitende Philosophien gestossen. Im Grunde haben diese gar nicht viel mit Wissenschaft zu tun. Ihre Philosophie des logischen Empirismus bedeutet, dass für Sie die Wissenschaft Gott ersetzt. Das ist Ihre Weltanschauung, Ihr Glaube. Kein Wunder, dass Sie sie mit solch religiösem Eifer verteidigen und so erpicht darauf sind, die Ketzer und lauwarmen Beschwichtiger auszurotten.
In diesem Kapitel lassen Sie endlich jeden Anschein fallen, Ihre Sichtweise sei auf empirische, beobachtbare, überprüfbare Wissenschaft gegründet. Während des ganzen Buches haben Sie die Materie als Linse, durch die wir alles beurteilen müssten. Doch nun gehen Sie weit darüber hinaus. Vieles ist reine Spekulation – Versuch, die Lücken zu erklären und zu füllen, für die die Wissenschaft keine Antworten hat. Letztlich vertreten sie nur einen AAGismus – einen Alles-Ausser-Gott-Ismus, den sie aber nicht wissenschaftliche belegen.
Schlussbrief: Warum glauben?
Atheisten gehen von der Grundannahme aus, es gebe nichts ausser der Materie. Sie sind zumeist logische Empiristen, die Beweise verlangen, aber dann das, was sie als Beweis anzuerkennen bereit sind, in übertriebenem Masse eingrenzen. Den Gedanken der Offenbarung lehnen sie völlig ab.
Was weiss ich?
1. Schöpfung: Von alledem schallt mir die Herrlichkeit Gottes entgegen (vgl. Ps 19,2-5). Ich finde es ausgesprochen töricht, wenn Christen versuchen, Gott aufgrund empirischer Belege zu beweisen oder wenn Atheisten seine Existenz so zu widerlegen versuchen. Die Wissenschaft – innerhalb ihrer Grenzen – ist eine wunderbare und glaubensstärkende Sache.
2. Warum haben wir ein Bewusstsein? Woher kommt das Leben? Wie kommen wir vom Nicht-Leben zum Leben?
3. Moralgesetz: Woher wissen wir, was Gut und was Böse ist? Warum haben wir überhaupt eine Empfindung dafür? Und was ist das Böse? Im Gegensatz zu Dawkins kann ich nicht daran glauben, dass Menschen von Natur aus gut sind. Ich sehe zu viel Böses, und keine Erklärung passt so genau und realistisch zu dem, was ich beobachte, wie gerade die Lehre der Bibel.
4. Schönheit: Wie kommt es, dass Menschen ein Empfinden für Schönheit haben? Es könnte einfach eine chemische Reaktion sein, aber für mich ergibt es viel mehr Sinn zu glauben, dass Gott alles zu seiner Zeit schön gemacht hat. Wir sehen die Schönheit des Schöpfers in der Schöpfung.
5. Religion: Ja, an der Religion ist vieles, was falsch ist. Und dennoch ist sie eine Nachahmung von etwas ganz Wirklichem. Wie Augustinus sagte: „Unsere Herzen sind für dich gemacht, o Gott, und sie sind ruhelos, bis sie ihre Ruhe finden in dir.“
6. Erfahrung: Ich glaube, weil ich geschmeckt habe, dass Gott gut ist. Natürlich kann unsere Erfahrung uns täuschen (weshalb wir sie reflektieren müssen). Und wir können uns in unserer Erkenntnis irren. Aber es müsste schon ein sehr merkwürdiger Mensch sein, der seine Erfahrungen nicht als Teil des ganzen Pakets mitberücksichtigt. „Alles, was ich gesehen habe, lehrt mich, für all das, was ich nicht gesehen habe, dem Schöpfer zu vertrauen.“ Sicher - erhörte Gebete, jenes Gefühl der Gegenwart Gottes und jene Freude in der Anbetung, das alles könnten Illusionen gewesen sein. Andererseits könnten sie aber auch real gewesen sein.
7. Die Geschichte: Die Lektüre und das Studium der Geschichte haben meinen Horizont geweitet und mir geholfen, die Wahrheit hinter dem alten Klischee zu sehen, dass es „seine Geschichte“ (also Gottes Geschichte) ist. Die Geschichte der Menschheit ergibt sehr viel mehr Sinn, wenn man sie im Kontext der Geschichte Gottes betrachtet.
8. Die Kirche: Ich habe vorhin erwähnt, dass es Dinge in der Kirche gibt, die mich mehr ins Zweifeln gebracht haben als alles andere. Wenn man sieht, wie sich Christen auf eine Art und Weise verhalten, über die sich Satanisten schämen würden, wenn man selbstgefällige, heuchlerische Prediger sieht, die nur auf Geld und Ruhm aus sind, dann reicht das, um einen ein Leben lang vom Christentum abzuschrecken. Aber ich habe auch die andere Seite gesehen. Ich habe erlebt, wie die fabelhaftesten Menschen (von denen manche vor ihrer Bekehrung, ganz offen gesagt, miese Charaktere waren) sich auf unerklärlich wunderbare Weise verhalten haben. Das heisst, unerklärlich wäre es ohne die Gnade und Liebe Gottes. Die Kirche, die Gemeinde Jesu, von ihrer besten Seite ist etwas Herrliches und Wunderschönes und einer der besten Gründe für den Glauben.
9. Die Bibel: Auch hierzu habe ich von den Problemen gesprochen, die ich hatte und gelegentlich immer noch habe. Sie war mir aber stets eine Quelle der Herausforderung, des Trostes, der Wahrheit und der Erneuerung. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Gott durch sie zu mir spricht (und damit meine ich nicht irgendwelche aus dem Zusammenhang gerissenen Offenbarungen oder esoterischen Auslegungen).
10. Jesus: Ich schätze, keiner der neun bisher genannten Gründe hätte ausgereicht - wenn ich auch finde, dass sie zusammengenommen eine ziemlich durchschlagende Wirkung haben. Aber dies ist der Zuckerguss auf dem Kuchen. Das heisst, nein... dies ist der Kuchen! Jesus ist der Grund warum ich glaube und weiter glauben werde. Heb 1,1-3; Kol 1,17; Kol 2,3. Wir hören von Jesus. Wir glauben ihm. Wir nehmen ihn als Herrn auf. Wir leben beständig in ihm. Nur er soll das Fundament eures Lebens sein. Haltet fest an dem Glauben! Wir werden gewarnt: „Fallt nicht auf Weltanschauungen und Hirngespinste herein. All das haben sich Menschen ausgedacht“ (Kol 2,8). Würde wirklich ich Jesus Christus gegen das egoistische Gen eintauschen wollen? Nein danke. „Nur in Christus ist Gott wirklich zu finden, denn in ihm lebt er in seiner ganzen Fülle. Deshalb lebt Gott auch in euch, wenn ihr mit Christus verbunden seid“ (Kol 2,9-10). Warum sollte ich die Fülle Jesu Christi gegen die Leere eines Universums und eines Lebens ohne Gott eintauschen wollen?